Das Recht auf körperliche Unversehrtheit – Grundrecht vs. Sommerzeit

Foto: Michael Rose/Wikipedia Die 19 Artikel des Grundgesetzes
Die 19 Artikel des Grundgesetzes
Foto: Michael Rose/Wikipedia

Ein Kommentar von Michael Wieden zum Widerspruch zwischen deutschem Grundrecht und EU-Recht in Bezug auf die Sommerzeit:


Es gibt ein Gesetz in Deutschland, das regelt Grundrechte. Dieses Grundgesetz hat höchste Priorität und steht über allen anderen nationalen Gesetzen wie BGB, HGB, etc..
§ 1 Abs. 3 des Grundgesetzes macht dies deutlich:
„Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“

Gleich im Anschluss an diesen wichtigen Absatz, finden wir im §2 Abs. 2:
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

Im Umkehrschluss muss dies auch bedeuten, dass die höchste Priorität des Staates ist, diese Grundrechte zu wahren, zu schützen und die Einhaltung den Bürgern bestmöglich zu ermöglichen. Dies hat der Bundesgerichtshof in einer höchstrichterlichen Entscheidung innerhalb eines Rechtsstreits bzgl. Schwangerschaftsabbruch deutlich gemacht.  „Die Pflicht des Staates, jedes menschliche Leben zu schützen, läßt sich deshalb bereits unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableiten.“

Die Kernfrage ist doch nun, ob der Staat verpflichtet ist, gesetzliche Regelungen, zurück zu nehmen, die nachweisbar für einen Großteil der Bevölkerung einen aktiven, vom Staat selbst sogar forcierten Eingriff in dieses Recht auf körperliche Unversehrtheit bedeutet. Als die Sommerzeit in Kraft gesetzt wurde, standen ökonomische Gesichtspunkte im Mittelpunkt. Gesundheitlich negative Effekte standen zum damaligen Zeitpunkt nicht im Fokus und waren auch mangels valider (Langzeit-) Studien nicht zu begründen. Dies hat sich gerade in den letzten Jahren drastisch geändert. Eine Fülle an Studien zeigt inzwischen auf, dass nicht nur der Zeitraum der Umstellung selbst, sondern auch die Sommerzeit als solches einen negativen Eingriff in die natürliche und gesunde Tagesrhythmik des Menschen bedeutet, was wiederum eine Vielzahl gesundheitsschädigender Effekte zur Folge hat. Der tatsächlich erzielte ökonomische Effekt stellt ebenfalls nachweisbar keine bedeutsame Größe mehr dar. Im Gegenteil, er wird sogar von negativen ökonomischen Effekten konterkariert, die sich von höherem Krankenstand (Fehlzeiten) über verminderte Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter und Schüler bis hin zu bereits nachgewiesenen negativen Auswirkungen auf das Börsengeschehen ziehen.

Die Argumentation „Der arbeitende Bürger hätte so am Abend mehr Licht!“ ist ein Relikt aus den Ursprüngen der Sommerzeit (William Willet/1907 – The waste of daylight). Dies ist so nicht haltbar, da die Zeit der Helligkeit sich nicht verändert. Wir sind lediglich 1h früher zu Hause. Interessanterweise wird aber diese Argumentation bis in die EU hinein gehalten. Eine fast kindliche Argumentation seitens des stellvertretenden Vorsitzenden der EU-Kommission verdeutlicht das Unwissen in diesem Sektor – oder besser, das nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Die Tatsache, dass das vermeintliche „länger hell“ auf Kosten einer ganzen Stunde Schlaf geht und somit auf Kosten unserer Gesundheit, wird nicht wahrgenommen.

Zu lösen wäre noch der Konflikt, der sich alleine im Absatz 2 befindet. „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ Wie weit aber geht die Freiheit der Person die auf Kosten der körperlichen Unversehrtheit einer anderen Person eingefordert wird?

Hier wäre es, im Sinne des §2, Abs 2, eigentlich Aufgabe des Staates, seine Bürger aufzuklären, und sie dabei zu unterstützen, diesen Missstand abzubauen.

FAZIT:

  1. Das EU-Parlament verweist in seiner Argumentation stets darauf, dass bisher noch kein Staat die Abschaffung der Sommerzeit gefordert hat. Hierauf basierend sieht sie keinen Handlungsbedarf.
  2. Die Bundesregierung verweist in Ihrer Argumentation auf eine vermeintliche ausschließliche Zuständigkeit der EU hin. Klassisches Henne-Ei-Prinzip.
  3. Eine Lösung dieses Konfliktes lässt sich nur durch eine Argumentation herbeiführen, die sachlich fundiert und auf der Verantwortung der Bundesregierung basiert. Dieser kann sie sich nicht entziehen. Denn der §2, Abs2. steht vor jedweder EU-Regelung. Ansonsten brauchen wir diesen Absatz nicht!

Michael Wieden