Sommerzeitumstellung – wie jedes Jahr, wird wieder über die Vorteile und Nachteile diskutiert. Aus chronobiologischer Sicht ist die Antwort eindeutig. Dr. Thomas Kantermann, Chronobiologe an der Universität Groningen/NL, klärt hier in einfache Worten auf, warum die Sommerzeit eigentlich die ungesündere Zeit darstellt. Natürlich unabhängig davon, was wir individuell damit verbinden.
Jeder Mensch hat eine individuelle innere biologische Uhr die so individuell ist wie die Körpergröße oder das Gewicht. Die innere Uhr muss täglich mit dem 24-Stunden Tag synchronisiert werden und dies geschieht durch Licht. Licht am Morgen ist besonders wichtig um die innere Uhr „auf Kurs“ zu halten. Wenn die innere Uhr nicht genügend Licht am Morgen zu sehen bekommt dann verschiebt sich der Schlaf zu späteren Uhrzeiten: wir werden später am Tag müde und müssten dann eigentlich morgens länger schlafen. Dieser Effekt wird verstärkt durch zu viel Licht am Abend durch vor allem zu viel kurzwelliges – blaues – Licht von beispielsweise modernen TV- und Computerbildschirmen. Da wir aber dennoch morgens früh aufstehen müssen um pünktlich bei der Arbeit zu sein, führt dies zu einer starken Verkürzung des Schlafes, vor allem erzwungen durch den Wecker und besonders bei späteren Chronotypen.
Dieses Phänomen bezeichnet den sozialen Jetlag und ähnlich wie beim Flug von Frankfurt nach New York geht die innere Uhr vieler Menschen jedes Wochenende „auf Reisen“ von der sozial erzwungenen Schlafzeit zur biologisch verankerten Schlafzeit vorgegeben durch die innere Uhr. Eine Anpassung hingegen ist schwer möglich weil wir nicht tatsächlich reisen sondern an Ort und Stelle (also im gleichen Tag- und Nachtregime) verweilen. Am Montag morgen kehren dann wieder alle zurück. Neueste Daten zeigen, dass über 80% der Bevölkerung an ihren Arbeitstagen einen Wecker benutzen – dies bedeutet 80% mit chronischem Schlafdefizit! Die Sommerzeitumstellung verschärft dieses Problem und das (von vielen Menschen begrüßte) mehr Licht am Abend führt tatsächlich sogar zu mehr sozialem Jetlag – auch dies vor allem bei späteren Chronotypen („Eulen“). Dies haben wir in einer Studie 2007 zeigen können. Unabhängige Studien verschiedener Arbeitsgruppen haben ferner gezeigt, dass die Umstellung auf Sommerzeit signifikant das Risiko von Unfällen am Arbeitsplatz, von Selbsttötungen, Schlaganfällen und Herzinfarkten erhöht.
In Anbetracht dass die Umstellung auf Sommerzeit nichts anderes ist als eine soziale Konvention eine Stunde früher zur Arbeit zu gehen (nur die Uhr, nicht die Zeit wird verstellt), sollten die bisher bekannten Gesundheitsrisiken Grund genug sein zur Abschaffung der „Uhr-Umstellung“.
Dr. Thomas Kantermann, Universität Groningen/NL
Zum Thema:
Link zur Sendung „Fakt ist …!“ des MDR vom 17.03.2014
http://www.ardmediathek.de/mdr-fernsehen/fakt-ist/fakt-ist?documentId=20230280
Link zum Video „Sommerzeit – zeit zum Umdenken“. Es zeigt eindrucksvoll, wie die Sommerzeit den kompletten Sommer über dem Menschen schadet.
https://www.youtube.com/watch?v=iXrIt9EEhO0
Michael Wieden beschäftigt sich als Betriebswirt seit 2002 mit der Chronobiologie im Personalmanagement. Schon 2003 hielt er hierzu seinen ersten Vortrag auf einer Veranstaltung der INQA (Initiative der neuen Arbeit).
Zu den Themen „Chronobiologie im Personalmanagenement“ sowie mobilen Arbeitsformen hat er bereits Bücher geschrieben, und dabei den Begriff „Liquid Work®“ geprägt.
Zusammen mit Claudia Garrido Luque gründete er 2014 die aliamos GmbH und berät seit dem Kommunen, Unternehmen und Kliniken zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Von 2012 bis Ende 2016 war er externer Wirtschaftsförderer für die Stadt Bad Kissingen und Initiator des weltweit einzigartigen Projektes „ChronoCity – Pilotstadt Chronobiologie“. Zu ChronoCity®, Chronobiologie-Themen und mobilen Arbeitsformen trat er wiederholt als Experte in verschiedenen Fernsehformaten (z.B. TerraX, Planet Wissen, W wie Wissen, Xenius etc.) auf. Zudem war er von 2014 bis 2017 Mitglied des Arbeitskreises „Zeitgerechte Stadt“ der ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung in Hannover.
Aktuell hält er Vorträge zum Thema „Chronobiologie im Personalmanagement“ und „Mobile Arbeitsformen“, und berät Unternehmen bei der Umsetzung chronobiologischer Ansätze in Unternehmen und Kliniken.
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